Abschiedsbriaf

Abschiedsbriaf

Des Woodstock-Festival wor vor 50ig Johr,
des wor dosch’t no a onare Zeit – des is gonz klor!
Insa Generation hod a wenk aufbegehr’n prowiascht,
mid longe Hoor, Sex mid da Pille, woor scho g’stiascht!

Da Hansi hod zu dera Zeit sei Lisi kennag’leand,
im Rausch da Liebe woor klor, dass sie a Paarl weand,
hod nid long dauascht, hod sie a Baby u’sogg,
do hod’s doscht nix onas geben, er hod’s ums Heiratn g’frogg!

Mitnond Heislbauen, die Schuidn hommb hibbsch druckt,
do is bei da Lisi a oida Wunsch in Fokus g’ruckt:
Studian u’fonga, sie woit a Lehrarin wean!
Mid Kinda orweiten, untarricht’n, des tata’s hoid gean!

Da Hansi wor fleissig, orweit am Bau,
hod die Polierprüfung g’mocht, er is genau,
mid da Lisi ihr‘n Traum wor a nid gonz einvastonden,
wor oiwei a Rest vo Skepsis bei eam vorhonden.

Die Kinda send aus’n Haus gonga, leben ihr eigen’s Leben,
es hod oiwei weniger Gemeinsamkeiten geben,
Stockschiassn, d’Schützen, Heimkehrer woor‘n sei Leben,
dahoam hod’s fien Hansi nimma recht  vüh U’sproch geben!

A Bois homm’s no g’strieden, es hod nix brocht,
sie send nua mehr stad beim Fernseher k’huckt auf’d Nocht,
zun Vanondgeh is oi zwoa’n die Schneid o’gonga,
is jo nid oafach, a gonz a nois Leben u’zfonga!

Oamoi is D’Lisi noch da Lehrerkonferenz hoamkemma
und woit scho den direkten Weg zu ihr‘n Zimma nemma,
do kimmb ihr vie, dass irgendwos nid stimmb,
sodass an Weg zun Hansi sein Kammal nimmb.

Do ligg da Hansi, am Nochtkastl a Glasl Wossa und Tabletten,
so vüh, dass a gonze Kompanie damid g’nuag khobb hätten,
im G’sicht gonz friedlich, die Hände g’foit’n,
er hot an Abschiedsbriaf auf’n Bauch festkhoit’n.

D’Lisi reascht, moand: „Mia häd’n reden soin!“
Nimmb sie den Abschiedsbriaf, häd sie’n gean u’schaugn woin!
Mid tränenerstickta Stimm fong’s u zun Lesen,
mei, is des a traurig’s Büdd’l g’wesen!

Vo die scheen Zeit’n und wia die Liab is gonga,
auf oamei stutzt’s, und hod zun Lametian u’fonga:
„Na Hansi, du lost oafach nid zua, wos moch i blos,
„Dei ewiges Meckern“  is a normalisiertes Verb – des schreib ma groß!

Zusammenfassung

401 Abschiedsbriaf
Gedicht Monat September 2019

Das Woodstock-Festival und der Tod vom "Mister Easy Ryder" inspirieren zu einem Blick zurück. Beziehungen haben sich ja oft ganz anders entwickelt wie heute. Ein ernstes Gedicht.

Foto Kurt Pikl

Type: ernst

Beschreibungen und Ausdrücke

Das Woodstock-Festival war vor 50 Jahren,
das war damals noch eine andere Zeit - das ist ganz klar!
Unsere Generation hat ein wenig aufbegehren probiert,
mit langen Haaren, Sex mit der Pille, war schon ganz nett!

Der Hansi hat zu dieser Zeit seine Lisi kennengelernt,
im Rausch der Liebe war klar, dass sie ein Paar werden,
hat nicht lange gedauert, hat sich ein Baby angesagt,
da hat es damals nichts anderes gegeben, er hat sie um das Heiraten gefragt!

Miteinander Hausbauen, die Schulden haben ziemlich gedrückt,
da ist bei der Lisi ein alter Wunsch in den Fokus gerückt:
Studieren anfangen, sie wollte Lehrerin werden!
Mit Kindern arbeiten, unterrichten, das würde sie wirklich gern machen!

Der Hansi war fleissig, arbeitet am Bau,
hat die Polierprüfung gemacht, er ist genau,
mit der Lisi ihrem Traum war er nie ganz einverstanden,
war immer ein Rest von Skepsis bei ihm vorhanden.

Eine Weile haben sie noch gestritten, es hat nichts gebracht,
sind nur mehr still beim Fernseher gesessen am Abend,
zum Auseinandergehen hat beiden der Mut gefehlt,
ist ja nicht einfach, ein ganz neues Leben anzufangen!

Einmal ist die Lisi nach der Lehrerkonferenz nach Hause gekommen
und wollte schon den direkten Weg zu ihrem Zimmer nehmen,
da kommt ihr vor, dass irgendwas nicht stimmt,
sodass sie den Weg zum Hansi seiner Kammer nimmt.

Das liegt der Hansi, am Nachkästchen ein Glas Wasser und Tabletten,
so viele, dass eine ganze Kompanie damit genug gehabt hätten,
im Gesicht ganz friedlich, die Hände gefaltet,
er hat einen Abschiedsbrief auf dem Bauch festgehalten.

Die Lisi weint, meint: "Wir hätten reden sollen!"
Nimmt den Abschiedsbrief, hätte in gerne anschauen wollen!
Mit tränenerstickter Stimme fängt sie an zu lesen,
mein Gott, ist das ein trauriges Bild gewesen!

Von den schönen Zeiten und wie die Liebe ist gegangen,
auf einmal stutzt sie und hat zum Lametieren angefangen:
"Nein Hansi, du hörst mir einfach nicht zu, was mache ich blos!
"dein ewiges Meckern" ist ein normalisiertes Verb - das schreibt man groß!"